Was muss bei einem Wildunfall beachtet werden? Um diese Frage zu beantworten, haben wir drei Experten befragt. Im Interview geben Polizeikommissar Julian Kindt, Jäger Markus Kuhn sowie Fahrlehrer Michael Linden entscheidende Tipps zum Thema Wildunfall. Wir klären: Wie vermeide ich einen Wildunfall? Was mache ich, damit es glimpflich ausgeht? Was tue ich, wenn es doch gekracht hat?

In der dunklen Jahreszeit, sind Wildunfälle keine Seltenheit. Doch wie sollten sich Autofahrer verhalten, wenn es plötzlich zu einem Zusammenstoß mit einem Wildtier kommt? Wie können Wildunfalle vermieden werden? Und was muss ich tun, wenn es doch gekracht hat?

Wir haben drei Experten gefragt, wie man sich im Falle eines Wildunfalls verhalten sollte.

Jäger

Markus Kuhn

Aichstetten (Allgäu)

Fahrlehrer

Michael Linden

123FAHRSCHULE, Köln

Polizeikommissar (PD Nord)

Julian Kindt

Neuruppin (Brandenburg)

Was kann ich tun, um Wildunfälle zu vermeiden?

Wildunfälle lassen sich zwar nicht vollständig vermeiden, allerdings können Autofahrer das Risiko für Wildunfälle erheblich zu senken, wenn sie sich im Straßenverkehr aufmerksam verhalten, Geschwindigkeitsvorgaben beachten und ihre Fahrweise an die gegebenen Witterungs- und Sichtverhältnisse anpassen.

Wildunfälle besonders häufig im Frühjahr

Grundsätzlich treten Wildunfälle das ganze Jahr auf. Trotzdem gibt es Jahres- und Tageszeiten, zu denen Wildunfälle häufiger passieren. Besonders gefährlich ist es während Morgen- und Abenddämmerung. Zum einen wegen den schlechten Sichtverhältnissen, zum anderen daran, dass Wildtiere dann besonders aktiv sind.

Frühjahr

Im Frühjahr ist die Gefahr für Wildunfälle in den Morgenstunden besonders hoch. Dies liegt vor allem an der Zeitumstellung. Nachdem sich die Wildtiere bereits an die Hauptverkehrszeiten gewöhnt hatten, werden sie vom plötzlich früher einsetzenden Verkehr völlig überrascht.

Auch im Spätsommer kann es auch vermehrt zu Wildunfällen kommen: 

“Im August ist die Brunftzeit des Rehwilds. Männliche Tiere fechten oft Revierkämpfe aus. Das unterlegene Tier flieht dann oft panisch – auch über die Straße.” (M. Kuhn) 

Herbst

Im Herbst sind Wildtiere viel unterwegs. Gerade, wenn es dunkel wird, sind sie am aktivsten. Zur Zeit der Dämmerung besteht daher erhöhte Gefahr.

Wildtiere nicht nur im Wald unterwegs

Auch wenn Wildtiere dem Menschen grundsätzlich fernbleiben und sich meist im schützenden Wald aufhalten, kann es vorkommen, dass sie ihren angestammten Lebensraum kurzzeitig verlassen. Das kann zur Futtersuche oder auch aus anderen Gründen sein. Nicht nur auf Straßen, die durch Waldgebiete führen, kommt es zu Unfällen mit Wild, sondern auch auf Straßen, die an Feld- und Ackerflächen grenzen kommt es häufig zum Wildwechseln. Ein besonders hohes Risiko besteht bei neu angelegten Straßen in der Nähe von Waldgebieten und Ackerflächen. Die Straße kreuzt dann oft frühere Nahrungsgebiete der Tiere und das Wild hat sich noch nicht auf den Verkehr eingestellt.

“Neben Straßen durch Waldgebiete kommt es häufig auch auf Straßen durch Feld- und Ackerflächen zum Wildunfällen. Ein besonders hohes Risiko besteht bei neu angelegten Straßen in der Nähe von Waldgebieten und Ackerflächen.” (J. Kindt)

Schlechte Sicht – nutze Licht

Während der Morgen- und Abenddämmerung herrschen besonders schlechte Licht- und damit Sichtverhältnisse – damit besteht ein hohes Risiko für Wildunfälle. Je früher aber ein Autofahrer das Wild auf der Straße oder am Straßenrand bemerkt, desto eher kann er auch reagieren. Während der Dämmerung sollten Autofahrer unbedingt ihr Fernlicht einschalten, da damit die doppelte Reichweite eines normalen Scheinwerfers erzielt werden kann.

“Die Augen vieler Wildtiere wirken im Scheinwerferlicht wie Reflektoren und leuchten im Dunkeln. So kann ein Autofahrer Wildtiere früher wahrnehmen.” (M. Kuhn)

Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit macht den Vorteil des Fernlichts allerdings wieder zunichte.

“Autofahrer sollten immer innerhalb des Lichtkegels anhalten können.” (M. Linden)

Wird eine Gefahrenquelle bemerkt, sollte sofort reagiert werden, um noch vor dem Wildtier zum Stehen zu kommen.Durch zu überhöhte Geschwindigkeit wird der Bremsweg zu lang und die Kollision mit dem Hindernis unvermeidlich. Beim Gebrauch von Fernlicht sollte darauf geachtet werden,den Gegenverkehr nicht zu blenden. Dasselbe gilt auch bei Wild.

“Taucht ein Wildtier im Lichtkegel des Fernlichts auf, blende sofort ab.” (M. Kuhn)

Wildtiere, die vom Fernlicht geblendet werden, bleiben oft irritiert stehen – nicht umsonst gibt es die Redewendung wie ein “Reh im Scheinwerferlicht”.

Ein Wildschwein kommt selten allein

Hat ein Wildtier die Fahrbahn bereits wieder verlassen, ist die Gefahr noch nicht vorbei, denn häufig folgen weitere Tiere. Aus diesem Grund sollte die Geschwindigkeit verringert und Bremsbereitschaft erhöht werden.

“Rehe und Hirsche können allein unterwegs sein, oft folgen aber noch 1-2 Tiere. Wildschweine sind hingegen oft in Rotten von 5-20 Tieren unterwegs.” (M. Kuhn)

Was mache ich, wenn ich Wild auf der Fahrbahn sehe?

Wenn plötzlich ein Wildtier im Lichtkegel deines Fahrzeugs erscheint gilt es, schnell und besonnen zu reagieren.

“Blende ab und versuche das Wild mit einem kräftigen Druck auf die Hupe von der Fahrbahn zu verscheuchen. Warte nicht ab, ob das funktioniert. Halte das Lenkrad fest und gerade und tritt kräftig auf die Bremse: Mache eine Vollbremsung!” (M. Linden)

Um nachfolgende Autofahrer zu warnen, sollte sofort der Warnblinker betätigt werden. Hier nochmal das Wichtigste auf einen Blick:

  • Abblenden
  • Hupen
  • Lenkrad fest und gerade halten
  • Vollbremsung machen
  • Warnblinkanlage aktivieren

Ausweichversuche können tödlich enden

Auch wenn es schwer fällt: Ausweichen ist bei Wild auf der Fahrbahn die falsche Wahl!

“Ausweichen nach links bedeutet auf die Gegenfahrbahn zu gelangen und mit dem Gegenverkehr zu kollidieren. Ausweichen nach rechts bedeutet in bewaldeten Gebieten die Kollision mit einem Baum.” (J. Kindt)

Beides kann schwerwiegende Folgen haben. Für Fahrer und Insassen kann der Zusammenstoß mit dem Gegenverkehr oder einem Baum tödlich enden. Die Kollision mit dem Wild sollte deshalb in der Regel als kleineres Übel in Kauf genommen werden.

Nach dem Wildunfall zügig und besonnen handeln

Ist der Wildunfall passiert, bleibt das Fahrzeug oft mitten auf der Fahrbahn stehen. Jetzt heißt es schnell und besonnen handeln.

Verlasse das Fahrzeug so schnell wie möglich

Spätestens jetzt solltest Du die Warnblinkanlage einschalten, um den nachfolgenden Verkehr auf die Gefahrenstelle aufmerksam zu machen. Es besteht eine große Gefahr für Auffahrunfälle.

 “Verlasse Dein Fahrzeug nach dem Wildunfall so schnell wie möglich.” (M. Linden)

Denk daran, Dein Mobiltelefon mitzunehmen, denn das brauchst Du noch, um einen Notruf abzusetzen. Ist es noch dunkel, dann lasse neben der Warnblinkanlage auch noch das Licht des Fahrzeugs an.

Nie ohne Warnweste auf die Straße

Was Du auch noch unbedingt mitnehmen solltest: die Warnweste. Am besten bewahrst Du diese direkt in der Fahrertür auf.

“Ziehe die Warnweste so schnell wie möglich an. Selbst helle oder bunte Kleidung reicht nicht, um bei schlechten Lichtverhältnissen von nachfolgenden Autofahrern rechtzeitig gesehen zu werden.” (J. Kindt)

Die Warnweste mit ihren Reflektoren verbessert deine Sichtbarkeit erheblich. Achte aber auch bei angezogener Warnweste auf den nachfolgenden Verkehr.

Verletzte Wildschweine und Dachse sind lebensgefährlich

Beim Aussteigen droht nicht nur Gefahr durch den Verkehr. Vorsicht ist auch geboten, wenn das Wildtier noch lebt. Manche Wildtiere sind besonders dann gefährlich, wenn sie verletzt sind. Sie fühlen sich dann leicht bedroht und setzen ihre natürlichen Waffen gegen Menschen ein.

“Verletztes Wild kann äußerst gefährlich werden, wenn es sich bedroht fühlt. Insbesondere Wildschweine mit ihren scharfen Hauern und Dachse mit ihrem starken Gebiss.“ (M. Kuhn)

Je nach Verkehrs- und Gefahrenlage musst Du selbst entscheiden, ob Du noch kurz im Auto sitzen bleibst oder direkt das Auto verlässt.

“Abwarten kann besonders dann sinnvoll sein, wenn es sich um einen Unfall mit Wildschweinen handelt – selbst verletzt stellen sie noch eine erhebliche Gefahr für Menschen dar.“ (M. Kuhn)

Aussteigen hingegen empfiehlt sich immer dann, wenn reger Verkehr herrscht und die Gefahr eines Auffahrunfalls besteht. Wenn Du das Auto verlässt, solltest Du die Fahrzeugfront vermeiden und großen Abstand zum Wild halten.

Wildunfall auf der Autobahn: schnell von der Straße!

Viele Autobahnen führen durch bewaldete Gebiete und sind deshalb auch Gefahrenzone für Wildunfälle. Gerade auf Autobahnen ist die Gefahr für Auffahrunfälle aufgrund der hohen Geschwindigkeit besonders hoch. Nochmal mehr, wenn das Fahrzeug auf der Überholspur steht. Hier sind Warnblinkanlage und Warnweste besonders wichtig. Auch hier gilt, verlasse das Fahrzeug so schnell wie möglich. Aber auch die Fahrbahn. Doch wohin?

“Bei einer Fahrbahn mit breiten Mittelstreifen kannst Du auf dem Grünstreifen zwischen den zwei Leitplanken Zuflucht suchen. Andernfalls bleibt noch der Seitenstreifen. Achte bei der Überquerung der Fahrbahn besonders auf den Verkehr.“ (M. Linden)

 

Unfallstelle absichern um Auffahrunfälle zu vermeiden

Nachdem Du das Fahrzeug verlassen hast, solltest Du den nachfolgenden Verkehr mit dem Warndreieck auf die Gefahrenstelle aufmerksam machen.

“Der Abstand vom Warndreieck zum Fahrzeug sollte mindestens 100 Meter betragen, mehr ist aber besser!” (M. Linden)

Folgt schon kurz nach der Strecke zwischen Deinem Fahrzeug und dem Warndreieck eine Kurve, stellst Du das Dreieck besser noch vor der Kurve auf.

Sollte ich das Wild wegräumen?

Lebt das Wild noch, halte Abstand. Die Polizei oder von ihr verständigte Förster bzw. Jäger kümmert sich fachgerecht um das Wild. Ist das Wild tot, kannst es zur Seite räumen – das ist aber keine Pflicht.

“Willst Du das Wild beiseite räumen, nutze auf jeden Fall Handschuhe, da Wildtiere einige Krankheiten übertragen können. Verwende am besten die Einweghandschuhe aus dem Verbandskasten.” (M. Kuhn)

Wildunfall – ab wann muss ich jemanden verständigen?

Manchmal werden kleinere Tiere angefahren, ohne dass das eigene Fahrzeug dabei beschädigt wird. Ist das Tier tot und auch sonst niemand geschädigt, kann die Fahrt fortgesetzt werden. Ist das Tier groß genug, um eine Gefahrenquelle für nachfolgenden Verkehr darzustellen oder könnten Dritte geschädigt werden, musst Du die Gefahrenstelle sichern und die Polizei verständigen.

Wildunfall-Nachweis für Versicherung erstellen lassen

Wird dein Fahrzeug beim Wildunfall nur geringfügig beschädigt, solltest Du trotzdem Meldung machen. Damit die Versicherung die Wildunfallschäden übernimmt, brauchst Du einen Nachweis, dass überhaupt Wild beteiligt war. Den bekommst Du durch ein Unfallprotokoll der Polizei oder die in manchen Bundesländern von der Polizei ausgestellte Wildunfallbescheinigung.

Was ist Fahrerflucht bei Wildunfall?

Gleich ob Verkehrsunfall ohne Tierbeteiligung oder Wildunfall, Fahrerflucht ist es, wenn Dritte geschädigt werden und zugleich der Unfallort verlassen wird. Schädigungen Dritter können verletzte Personen, beschädigte Fahrzeuge, aber auch beschädigte Gegenstände wie Schilder, Leitplanken oder Zäune sein. Dann darf sich der Fahrer nicht vom Unfallort entfernen und muss die Polizei verständigen. Andernfalls wäre das Verkehrsunfallflucht – kurz Fahrerflucht – und eine schwere Straftat.

Wen verständige ich nach dem Wildunfall?

Viele Autofahrer fragen sich nach dem Wildunfall: Wen verständige ich? Die Polizei oder doch den Förster? Und wen davon zuerst?

Ist jemand verletzt ist, wähle die allgemeine Notrufnummer 112.

Damit verständigst Du den Rettungsdienst, der umgehend einen Rettungswagen schicken kann. Die Polizei wird in diesem Fall automatisch mit verständigt.

Ist niemand verletzt, verständige die Polizei – wähle die 110.

Falls nötig, verständigt die Polizei selbst den zuständigen Förster bzw. Jäger. Je nach Jagdrevier sind nämlich verschiedene Personen verantwortlich.

Kurz & knapp: Was bei Wildunfall zu tun ist

  • Abblenden
  • Hupen
  • Lenkrad fest und gerade halten
  • Vollbremsung machen
  • Warnblinkanlage aktivieren
  • Fahrzeug verlassen
  • Warnweste anziehen
  • Warndreieck aufstellen
  • in Sicherheit begeben
  • Notrufnummer wählen

Versicherungsschutz bei Wildunfall

Die Haftpflichtversicherung übernimmt Wildunfallschäden nicht. Dafür aber die Vollkasko- oder Teilkaskoversicherung mit Wildtierabdeckung. Die passende Versicherung findest Du schnell und einfach mit Joonko.

Noch mehr Fakten zum Thema Wildunfall findest Du in unserem Beitrag “Wildunfall & Versicherung: Umfrage 2019”. Dort erfährst Du: Wie hoch ist das Risiko für einen Wildunfall? Wie oft hat die Versicherung gezahlt?